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Sozialversicherungsrechtlicher Status von Geschäftsführern

Sozialversicherungsrechtlicher Status von Geschäftsführern

 

Aktuell steht wieder die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status von Geschäftsführern im Fokus der Sozialversicherungsträger, insbesondere der Rentenversicherung. Regelmäßig geht es um die Frage, ob ein Geschäftsführer einer GmbH oder einer GmbH & Co. KG als sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer anzusehen ist oder ob eine selbständige Geschäftsführertätigkeit vorliegt, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV ist Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt „die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis“. Anhaltspunkte für eine solche Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers, § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV. Voraussetzung für eine nichtselbständige Arbeit ist, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Tätigkeit einem Weisungsrecht des Betriebsinhabers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr. vgl. zuletzt etwa BSG, Urt. v. 14.03.2018, Az. B 12 KR 13/17 R; BSG, Urt. v. 15.03.2018, Az. B 12 R 5/16).

 

„Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, und in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden“ (so BSG, Urt. v. 15.03.2018, Az. B 12 R 5/16). 

 

Bei einem Fremdgeschäftsführer, der nicht am Kapital der Gesellschaft beteiligt ist, scheidet nach der jüngeren Rechtsprechung des BSG eine selbständige Tätigkeit generell aus (vgl. BSG, Urt. v. 18.12.2001, Az. B 12 KR 10/01 R; BSG, Urt. v. 14.03.2018, Az. B 12 KR 13/17 R)

 

Ist ein Geschäftsführer als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang seiner Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Entscheidend für die sozialversicherungsrechtliche statusrechtliche Beurteilung ist die Frage, ob der betreffende Gesellschafter-Geschäftsführer über seine bloße Gesellschafterstellung hinaus über die Rechtsmacht verfügt, ihm nicht genehme Weisungen oder Beschlüsse der Gesellschafter jederzeit abzuwenden Eine solche Rechtsmacht ist stets gegeben bei einem Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer, der mehr als 50 % der Anteile am Stammkapital hält. Ein Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer (mit weniger als 50 % Gesellschaftsanteilen) ist hingegen grundsätzlich abhängig beschäftigt. Ausnahmsweise liegt jedoch dann eine selbständige Tätigkeit vor, wenn ihm eine umfassende, echte und die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität zukommt. Diese Rechtsmacht, zumindest nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern, muss gesellschaftsvertraglich eingeräumt sein (vgl. BSG, Urt. v. 14.03.2018, Az. B 12 KR 13/17 R; BSG, Urt. v. 11.11.2015, Az. B 12 KR 10/14 R). Andere wirtschaftliche und/oder rechtliche Verflechtungen wie insbesondere Stimmbindungsabreden, die außerhalb des Gesellschaftsvertrages (Satzung) bestehen, reichen nach der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung nicht aus,  (BSG, Urt. v. 14.03.2018, Az. B 12 KR 13/17 R; LSG NW, Urt. v. 20.06.2018, Az. L 8 R 725/18).

 

Daneben kommen als weitere, für eine selbständige Tätigkeit sprechende Gesichtspunkte in Betracht

 

-       das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, auf die der Gesellschafter-Geschäftsführer im Rahmen der Geschäftsführertätigkeit zurückgreifen kann (LSG NW, Urt. v. 20.06.2018, Az. L 8 R 725/18)

 

-       das Bestehen eines wesentlichen unternehmerischen Risikos. Maßgebend hierfür ist nach der Rechtsprechung des BSG, dass eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Einschränkend ist ein unternehmerisches Risiko allerdings nur dann hinreichendes Indiz für eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (vgl. BSG, Urteil vom 28.09.2011 - B 12 R 17/09 R, in: BeckRS 2012, 67108). In der Instanzrechtsprechung wird häufig jedes Unternehmerrisiko schon dann verneint, wenn dem Geschäftsführer „arbeitnehmertypisch“ eine feste, monatliche Vergütung gezahlt wird. (vgl. etwa LSG NW, Urt. v. 20.06.2018, Az. L 8 R 725/16: „Angesichts der ihm zustehenden Festvergütung lief er nicht Gefahr, seine Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes einzusetzen“).

 

-       Eine Einzelvertretungsbefugnis sowie die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB werden in der Rechtsprechung überwiegend als nicht arbeitnehmeruntypisch angesehen, beides deutet deshalb nicht zwingend auf eine selbständige Tätigkeit hin (LSG NW, Urt. v. 20.06.2018, Az. L 8 R 725/18)

 

Aktuell sind mehrere Revisionsverfahren beim BSG anhängig, die die Statusbeurteilung von Geschäftsführern einer GmbH zum Gegenstand haben. Es bleibt abzuwarten, ob das BSG die zuletzt recht restriktive Rechtsprechung, die nahezu ausschließlich auf einen mehrheitlichen Umfang der Kapitalbeteiligung oder auf eine gesellschaftsvertraglich eingeräumte Sperrminorität abstellt, fortsetzt oder aber zulässt, dass auch andere „nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt werden“.