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Fehlerhafte Anklageschriften und wie der Verteidiger reagieren kann

Eine Anklageschrift muss einem klaren Aufbau folgen. Dieser ist in § 200 StPO geregelt. Danach hat die Anklageschrift den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen, § 200 Abs. 1 StPO.

 

 

 

Was auf den ersten Blick verständlich und nachvollziehbar aussieht,

hat auf den zweiten Blick so seine Tücken. Immer wieder kommt es in Anklageschriften vor, dass sie diese Grundvoraussetzungen nicht erfüllen. Dabei soll die Anklageschrift gerade einer Informations- und Umgrenzungsfunktion nachkommen. Sie bestimmt nämlich den Prozessgegenstand (Umgrenzungsfunktion) und hat darüber hinaus die Aufgabe, den Beteiligten die notwendigen Informationen zu liefern (Informationsfunktion).

 

Doch schon bei Zeit und Ort der Tatbegehung gibt es Schwierigkeiten. Nun mag es beispielsweise bei einem Diebstahl recht einfach sein zu beschreiben, dass dieser am 19.05.2014 um 14:45 Uhr in der Hauptstraße im dortigen Supermarkt in der Stadt Düsseldorf stattgefunden haben soll. Damit käme die Anklageschrift dann der Umgrenzungs- und Informationspflicht nach. Aber bei bestimmten Deliktstypen, etwa und gerade im Betäubungsmittelstrafrecht, wird das schon wesentlich schwieriger. Denn gerade bei Straftaten, die häufig und über einen längeren Zeitraum stattgefunden haben sollen (etwa das „Dealen“ mit Betäubungsmitteln), ist die konkrete Angabe von Tatzeit und Ort kaum möglich.

 

Dies führt in der gerichtlichen Praxis dazu, dass Zeit, Ort und Begehungsweise in nur noch pauschaler Form beschrieben sind, so z.B. der Vorwurf, der Angeklagte habe von „März bis Juni 2014 in Köln und andernorts an nicht näher bestimmbaren Tagen mindestens 3-mal wöchentlich - mithin in mindestens 52 Fällen - in nicht näher bestimmbarer Art und Weise jeweils mindestens 100 gr. Marihuana an den gesondert Verfolgten x verkauft.“

 

Dass in solchen Fällen die Verteidigung stark eingeschränkt und beispielsweise die Alibibehauptung faktisch abgeschnitten ist (wer weiß schon, was er in einem monatelangen Zeitraum jeden Tag lang getan hat - und kann dann auch noch Zeugen dafür benennen?), liegt auf der Hand.

 

Gleiches gilt für die Tatbegehung. Jedes gesetzliche Merkmal des dem Angeklagten angelasteten Straftatbestandes ist durch Angabe der Umstände zu belegen, die nach Meinung der Anklagebehörde dieses Merkmal belegen (BGH NStZ 1984, 133). Wenn das nicht der Fall ist, muss der Rechtsanwalt und Strafverteidiger eingreifen. Ist die Anklageschrift mit Eröffnungsbeschluss dennoch zugelassen worden, stellt dies ein Verfahrenshindernis dar, das eine Einstellung des Verfahrens durch Urteil nach § 260 Abs. 3 StPO nach sich zieht.

 

Gerade hier müssen wir als Rechtsanwälte und insbesondere als Fachanwälte für Strafrecht immer wieder den Finger in die Wunde legen. Zeit und Ort sowie Begehungsweise müssen in der Anklageschrift hinreichend konkretisiert sein, ansonsten wird § 200 StPO ad absurdum geführt. Und wenn das nicht der Fall ist, dann muss ein Antrag auf Nichtverlesung der Anklageschrift und Einstellung des Verfahrens gestellt werden.

 

Es grüßt Sie herzlich

Ihr Rechtsanwalt Tim Brühland

Fachanwalt für Strafrecht

Fachanwalt für Steuerrecht